Über die Story
Acht Tage Urlaub standen Maigret bevor. Seine Frau packte die letzten Sachen für die Reise in den Elsaß, wo sie normalerweise ihren Urlaub verbrachten. Maigret las einen Brief den er von Jorissen, einem ehemaligen Schulkameraden, bekommen hatte:
Er ist der netteste Junge in der Gegend, und seine Mutter, die nur ihn hat, könnte daran sterben. Wie alle hier bin ich fest davon überzeugt, dass er unschuldig ist. Aber die Seeleute, mit denen ich darüber gesprochen habe, behaupten, dass er verurteilt würde, weil die Zivilgerichte noch nie etwas von der Seefahrerei verstanden haben…
Tu alles, was Du kannst, als ginge es um Dich selbst. Ich habe in den Zeitungen gelesen, dass Du eine wichtige Persönlichkeit bei der Kriminalpolizei geworden bist und ...
Seit zwanzig Jahren verbrachte das Ehepaar seine Ferien im Elsaß, nun aber fragte der Kommissar seine Frau, ob sie nicht Lust hätte, die Ferien mal woanders zu verbringen. Damit bringt er sich um den Genuss der edlen Obstschnäpse des Elsaß, denn seine Frau ist zwar erstaunt, hat aber keine Einwände, die Maigret von seiner Reise nach Fécamp abringen hätten können. Ein bisschen trotzig – ihr widerstrebte der Urlaub in einem Hotel, in dem sich andere Pariser aufhalten könnten, – machte sie ihren Standpunkt klar: »Verlange bloß nicht von mir, dass ich baden gehe! Ich sage dir das lieber gleich!«.
Was war dran an der Geschichte mit dem netten Jungen? Pierre Le Clinch stammte aus ärmlichen Verhältnisse und war mit einem kleinbürgerlichen, zwei Jahre jüngeren Mädchen verlobt, der er geschworen hatte, er würde sie heiraten, wenn er eine gewisse Summe zusammen hatte. Um diesen Ziel ein bisschen näher zu kommen, hatte er sich als Funker auf dem Fischdampfer »Océan« verdingt.
Die Fahrt des Fischdampfers war mit dem »bösen Blick« behaftet, sagten zumindest die, die die Fahrt erlebt hatten. Schon bei der Ausfahrt ging es los: ein Matrose hatte den Lademast erklommen, um seiner Frau zuzuwinken. Ein Tau löste sich und er stürzte auf das Deck, wobei er sich ein Bein zertrümmerte. Ein Schiffsjunge war nur am Jammern und Heulen, so hatte er sich die Seefahrt wohl nicht vorgestellt. Drei Tage später brauchte er keine Vorstellungen mehr, der Kapitän musste der Mannschaft mitteilen, dass der Junge über Bord gespült wurde. Dann war da noch das Verhalten des Kapitäns Fallut, der den Dampfer nicht zu den üblichen Kabeljau-Fischfängen führte, sondern in andere Gewässer, was die Mannschaft auf das Äußerste verärgerte. Wider erwarten war der Fang aber gut, aber eine solche »Böse Blick«-Reise war nicht ohne Niederlage zu bekommen – der Fisch war nach der Heimkehr verdorben.
Der Mannschaft blieb auch nicht verborgen, dass das Verhältnis zwischen dem Kapitän und dem Funker ein sehr, sehr schlechtes war. Sie gingen miteinander um wie Katz und Maus. Als der Kapitän, kaum hatte er sein Schiff verlassen, umgebraucht wurde, war der Funker der erste Verdächtige…
Maigret besucht ihn im Gefängnis, aber Le Clinch mag sich nicht zu der Reise äußern und macht einen wenig kooperativen Eindruck.
»Als die »Océan« in den Hafen zurückkehrte, gingen Sie mit den Männern an Land. In Ihrem Hotelzimmer haben Sie Papiere verbrannt.«
»Ja. Das ist unwichtig.«
»Sie haben die Gewohnheit, alles, was Sie sehen, in einem Heft niederzuschreiben. War es nicht das Tagebuch dieser Fahrt, das Sie verbrannt haben?«
Er stand mit gesenktem Kopf da und sah aus wie ein Schuljunge, der seine Lektion nicht gelernt hat und nun verstockt auf den Boden starrt.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht mehr!«
Maigret versucht zu helfen und wird von dem, dem er helfen soll, an allen Stellen behindert. Der Kommissar in Urlaub darf sich fragen, wer die Frau auf dem Bild ist, welches er zerkrakelt in Le Clinchs Zimmer findet – ein Foto von Marie Léonnec ist es nicht. Er muss auch das Rätsel lösen, warum der Junge während der Fahrt aufhörte, Briefe an seine Verlobte zu schreiben.
Während Maigret seine Ermittlungen in Fécamp fortsetzt, versucht Madame Maigret – die sich mit dieser Art von Urlaub langsam anfreundete – Marie Léonnec aufzumuntern.